Wie ein dunkler Schatten auf der Seele
Im alltäglichen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff „depressiv“ häufig ein Zustand von anhaltend gedrückter Grundstimmung bezeichnet. Im medizinischen Sinne handelt es sich bei einer Depression aber um eine vielschichtige Krankheit mit bio-psychosozialen Bedingungsmodell, woraus sich unterschiedliche Therapieverfahren ergeben.
Das Erleben einer Depression beeinträchtigt fast alle Lebensbereiche: Gewohnte Anforderungen in Alltag und Beruf werden zu schwierig und zu anstrengend empfunden.
Dinge, die sonst Spaß und Freude bereitet haben, werden uninteressant, es mangelt an Antrieb zur Beschäftigung jeder Art. Weitere Symptome bestehen in Insuffizienzgefühlen gekoppelt mit dem Verlust des Selbstwertgefühls, Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen, Suizidgedanken und –handlungen. Häufig bestehen Denk- und Konzentrationsprobleme, ein ständiges Leeregefühl, Unruhezustände, lähmende Entscheidungsunfähigkeit sowie Schlaf- und Appetitstörungen. Auch körperliche Beschwerden treten häufig im Zusammenhang mit Depressionen auf. Typisch sind Magen-Darm-Probleme, Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich sowie eine starke körperliche Schwäche. Es kann zu Potenzproblemen und Libidoverlust kommen. Das Denken depressiver Menschen ist auf nur wenige Themen beschränkt, um die die Gedanken ständig kreisen. Die eigene Person erscheint unzureichend, die Umgebung wirkt ängstigend und die Zukunft aussichtslos.
Das Bewusstsein, nicht mehr so wie früher zu funktionieren, mündet häufig über Selbstabwertungen und Vermeidungsverhalten in einer Abwärtsspirale. Betroffene fühlen sich hilflos und ziehen sich infolge der Antriebshemmung immer mehr zurück.
Depression – eine Volkskrankheit?
Die Depression ist nicht nur eine der häufigsten psychischen Erkrankungen, sondern eine der häufigsten Erkrankungen in Deutschland überhaupt – etwa 4 bis 5 Millionen Menschen leiden darunter. Depressionen treten in allen Lebensaltern auf. In den letzten Jahren ist vor allem die Erkrankungsrate bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gestiegen. Frauen weisen ein etwa doppelt so hohes Erkrankungsrisiko auf wie Männer und haben häufiger Rückfälle. Auch ältere Menschen, die in Heimen und anderen Institutionen leben, haben häufiger Depressionen als die Allgemeinbevölkerung. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, beträgt etwa 17 Prozent.
Verschiedene Formen der Depression
In einem internationalen Klassifikationssystem werden Depressionen nach ihrer Schwere, Symptomatik und ihrem Verlauf definiert. Von einer leichten depressiven Episode mit depressiver Stimmung und/oder vermindertem Antrieb und/oder Interessenverlust bis hin zur chronischen Depression mit einer Dauer von mehr als zwei Jahren sind dabei verschiedene Typen charakterisiert, deren Bestimmung über eine umfangreiche Anamnese und Diagnostik unter Ausschluss einer organischen Erkrankung erfolgt.
Wie entstehen depressive Störungen?
Die Ursachen depressiver Erkrankungen sind vielfältig. Ein Wechselspiel zwischen biologischen, psychologischen und psychosozialen Faktoren trägt zu ihrer Entstehung bei.
Zu den biologischen Faktoren zählen unter anderem die genetische Veranlagung, eine Dysbalance der Botenstoffe im Gehirn oder eine erhöhte Konzentration des Stresshormons Cortisol. Aber auch psychobiologische Aspekte wie belastende Lebensereignisse in der Kindheit oder sogenannte biologische Narben aus erlebten Verletzungen/Erkrankungen können wie auch psychosoziale Stressoren und intrapsychische Konflikte zu den auslösenden Faktoren gehören.
Psychologische Theorien der Depressionsentstehung
In vielen Studien konnte zudem nachgewiesen werden, dass es einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen Depressionen und negativen Lebensereignissen wie Trennung, Arbeitsplatzverlust oder dem Tod einer nahestehenden Person gibt. Auch chronische Belastungen wie lang anhaltende Konflikte, Krankheit oder beruflicher Stress können zu Depressionen führen. Kommen dann ein schwaches Selbstbewusstsein oder die häufig erlebte Hilflosigkeit der eigenen Person hinzu, kann dies das negative Denken und die Niedergeschlagenheit ebenfalls verstärken.
Auch besondere Merkmale der Persönlichkeit können die Anfälligkeit für depressive Erkrankungen erhöhen. Menschen mit einem ausgeprägten Perfektionismus und hohen Leistungsansprüchen fällt es auf Dauer schwer, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Das subjektive Gefühl, versagt zu haben, kann depressive Symptome auslösen. Ein weiteres Merkmal ist die Abhängigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen. Menschen, die ein starkes Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung haben und sich stets darum bemühen, von anderen verstanden zu werden, entwickeln bei Zurückweisung, Trennung oder Verlust häufig depressive Symptome.
Wie behandeln wir depressive Störungen?
Da viele Faktoren zu ihrer Entstehung beitragen, muss auch die Therapie von Depressionen auf mehreren Ebenen stattfinden. Unser Konzept ist störungsspezifisch und richtet sich nach den neuesten wissenschaftlichen Standards. Besonderer Wert wird auf die Berücksichtigung der persönlichen Krankheitsgeschichte (frühkindliche Erfahrungen, Persönlichkeitsmerkmale, überdauernde und aktuelle Belastungen, bisherige Bewältigungsversuche) gelegt.
Das Therapieprogramm wird dementsprechend nach den individuellen Bedürfnissen der Patientin/des Patienten zusammengestellt. Das psychotherapeutische Angebot findet in Einzel- und Gruppentherapien statt und umfasst v.a. Elemente aus der Kognitiven Verhaltenstherapie und Psychodynamischen Verfahren. Die Bezugstherapeutin/der Bezugstherapeut koordiniert dabei in Absprache mit der Patientin/dem Patienten den Therapieablauf.
Das Ziel: „Spezialist für die eigene Störung“ werden
Nach Abschluss der Diagnostik und Aufklärung über die Behandlung steht zunächst die Reduktion der meist als quälend empfundenen depressiven Symptome im Vordergrund. Den Patientinnen und Patienten wird eine Art „Handwerkszeug“ vermittelt, um diese Symptome verändern zu können. Es handelt sich dabei um verschiedene Verhaltensfertigkeiten, welche einen positiven Einfluss auf Stimmung, Antrieb, Schlaf, körperliche Empfindungen und Selbstwertgefühl haben. Ziel ist, „Spezialist/in für die eigene Störung“ zu werden.
Sind belastende Lebensereignisse (Verluste, Traumatisierungen) eng mit der depressiven Symptomatik verbunden, ist es ggf. sehr wichtig, diese mit traumasensitiven Bearbeitungsmethoden zu therapieren (z.B. IRRT, EMDR, Screen-Technik, ISTDP nach Davanloo etc.)
Aufgrund des hohen Rückfallrisikos bei Depressionen von ca. 50 Prozent sind längerfristig wirksame Therapiemaßnahmen von großer Bedeutung für die Behandlung. Nach unserem Konzept werden diese in erster Linie im Rahmen einer intensiven Einzeltherapie verwirklicht.
Kombination von Psychotherapie und Medikamenten für langfristigen Erfolg
Eine medikamentöse Behandlung depressiver Störungen ist entsprechend des aktuellen Forschungsstandes bei schweren und psychotisch depressiven Episoden grundsätzlich nötig. Auch bei leicht- und mittelgradigen Depressionen ist eine alleinige Pharmakotherapie wirksam. In Kombination mit Psychotherapie ist jedoch langfristig eine wesentliche Besserung im Vergleich mit alleiniger medikamentöser Behandlung zu erwarten.
Mit Hilfe sogenannter Soziotherapeutischer Maßnahmen versuchen wir zudem, jene Umgebungsbedingungen der Person zu beeinflussen, die die depressive Erkrankung mitbestimmen. Wohnsituation, finanzielle Probleme, die berufliche Perspektive sowie Partnerschaft und Familie können dabei zum Therapieinhalt werden.