Beeinträchtigung von Hirnfunktionen

Im Rahmen eines Arbeitsunfalls oder Verkehrsunfalls kann es zu Kopfverletzungen einhergehend mit Hirnschädigungen kommen, die dazu führen, dass sogenannte kognitive Beeinträchtigungen auftreten (z.B. fällt das Konzentrieren schwerer, die Aufmerksamkeit lässt schneller nach oder die Gedächtnisleistung ist eingeschränkt). Die Betroffenen sind also sehr plötzlich mit Einschränkungen konfrontiert, die die berufliche Tätigkeit sowie die Alltagsbewältigung erheblich beeinträchtigen können. Die Anpassung an diese Veränderungen ist oft nicht leicht, jedoch gibt es therapeutische Möglichkeiten, Betroffene hierbei zu unterstützen.

Behandlungsschwerpunkt: leichte neuropsychologische Beeinträchtigungen nach einem Schädel-Hirn-Trauma

Bei den von uns behandelten Patientinnen und Patienten sind Schädel-Hirn-Traumata (SHT) die häufigste Ursache für Einschränkungen der Hirnleistungsfähigkeit. Unter einem SHT versteht man eine gedeckte oder offene Verletzung des Schädels mit Gehirnbeteiligung. Die häufigsten Ursachen dafür sind Verkehrsunfälle und Stürze. Bei den mit einem SHT einhergehenden Hirnleistungsdefiziten kommt es insbesondere zu Störungen des Gedächtnisses, exekutiver Funktionen (z.B. Planen und Problemlösen) sowie zu psychomotorischer Verlangsamung. Emotionale Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und Persönlichkeitsänderungen können ebenfalls auftreten.

Spezielle neuropsychologische Diagnostikverfahren notwendig

Bei kognitiven Störungen ist zunächst eine genaue Diagnostik notwendig, um festzustellen, welche Funktionsbereiche (z.B. verbales Gedächtnis, Konzentration, Verarbeitungsgeschwindigkeit) betroffen sind.
Je nach Ort und Umfang der Hirnschädigung können einzelne oder mehrere neuropsychologische Funktionen gestört sein. Bildgebende Verfahren wie CT, MRT oder die Hirnstromableitung im EEG geben nicht notwendigerweise Auskunft über den Grad der Beeinträchtigung. Wir führen deshalb zusätzlich spezielle neuropsychologische Tests durch, bei denen wir folgende Bereiche entweder computergestützt oder im Papier-Bleistift-Verfahren überprüfen:

  • Gedächtnis (u.a. Langzeit-, Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis)
  • Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
  • Reaktionsfähigkeit
  • Intelligenzfunktionen und Exekutivfunktionen (z.B. Bildungswissen, logisches Denken, sprachliche Flexibilität, räumliche Orientierungsfähigkeit)
  • Persönlichkeitsmerkmale wie Emotionalität oder Antrieb

Behandlungsziel: Mehr Kontrolle über die eigene Lebensgestaltung

Während in frühen Phasen der Rehabilitation besonders auf die Wiederherstellung gestörter Hirnfunktionen abgezielt wird und computergestützte Hirnleistungstrainings mit im Vordergrund stehen (z.B. Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung und der psychomotorischen Geschwindigkeit), liegt der Schwerpunkt der Behandlung hier auf der psychischen Anpassung an die Unfallfolgen.

Der Umgang mit den erworbenen Einschränkungen ist ein zentrales Thema der Therapie. Dazu gehört, psychosoziale Belastungen sowie Probleme hinsichtlich des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Zudem sollte nach einem SHT Augenmerk auf Persönlichkeitsänderungen und emotionale Veränderungen gelegt werden. Hier kann beispielsweise die verbesserte Kontrolle des Sozialverhaltens ein Therapieziel sein. Da eine dauerhafte Beeinträchtigung von Hirnleistungen das Selbstbild von Betroffenen in erheblichem Maß verändern kann, kommen Methoden zur Identitätsstärkung zum Einsatz. Grundlage der Behandlung sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden.

Das Einbeziehen von Angehörigen in die Behandlung ist zumeist ebenfalls sehr wichtig.
Nach einem SHT treten häufig eine Depression oder Angststörungen (in Form von Panikattacken oder Phobien) auf, die unter Berücksichtigung der kognitiven Beeinträchtigung behandelt werden können (siehe hierzu Behandlung von Depression) bzw. Angststörungen).

Computergestütztes Hirnleistungstraining

Ein computergestütztes Hirnleistungstraining kann ebenfalls durchgeführt werden, um die eigene Leistungsfähigkeit besser einschätzen zu lernen und kompensatorische Strategien (z.B. Merkstrategien) zu üben. Dazu stehen uns computergestützte Hirnleistungstrainings wie RehaCom oder Cogpack zur Verfügung. Diese Verfahren ermöglichen ein Training spezifischer Leistungsbereiche (z.B. Verbalgedächtnis, geteilte Aufmerksamkeit, logisches Denken) und berücksichtigen durch verschiedene Schwierigkeitsgrade das individuelle Leistungsniveau einer Person. Hirnleistungstraining und Psychotherapie greifen dabei eng ineinander.

Kognitive Leistungseinbußen und Fahrtauglichkeit

Nach Schädigungen des Gehirns ergeben sich je nach Schädigungsgrad auch Fragen bezüglich der Fahrtauglichkeit der Betroffenen. Hierzu bieten wir eine testpsychologische Untersuchung der Fahrtauglichkeit mittels einer computergestützten Fahreignungsdiagnostik an. Diese führen wir – inklusive einer praktischen Fahrverhaltensprobe – in Zusammenarbeit mit einer Fahrschule und dem TÜV durch. Die Durchführung von Fahrtrainings ist ebenfalls möglich.

Kognitive Beeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen

Werden im Rahmen psychischer Erkrankungen (z.B. Depression, Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörung) kognitive Beeinträchtigungen angegeben, so kann auch hier eine Diagnostik der Einschränkungen erfolgen. Vor allem dann, wenn sich die Einschränkungen auf die aktuelle Arbeitsfähigkeit oder den Therapieverlauf auswirken.
Als Ursache für kognitive Einschränkungen bei psychischen Erkrankungen werden Veränderungen komplexer Netzwerke des Gehirns angenommen. Insbesondere depressive Erkrankungen, aber auch Posttraumatische Belastungsstörungen können mit Einschränkungen der Flexibilität, des Lernvermögens, exekutiver Funktionen und Aufmerksamkeitseinschränkungen einhergehen. Meist ist von einem Verschwinden dieser Symptome mit Rückgang der Kernsymptomatik der Depression oder der PTBS auszugehen. Jedoch kann insbesondere nach mehreren Episoden und im höheren Alter eine Restsymptomatik bestehen bleiben. Bei älteren Patienten kann eine Abgrenzung zu Demenzerkrankungen wichtig sein.
Hinsichtlich der Behandlung der psychischen Störungen stehen Psychotherapie und Pharmakotherapie im Vordergrund.