Wer mit einem extrem belastenden Ereignis (z.B. arbeitsbezogenen Unfällen, Überfällen, erlebten Gewalttaten sowie deren Miterleben als Zeuge bzw. Ersthelfer) konfrontiert wurde, hat häufig mit schweren Folgestörungen im Alltag zu kämpfen. Eine frühe und intensive Auseinandersetzung mit dem Geschehenen hilft, diese erfolgreich zu behandeln.

Dabei kann der Unfallhergang für sich genommen eine psychische Reaktion bewirken, nämlich dann, wenn er traumatischen Charakter hatte (plötzliche massive Bedrohung von Leib und Leben mit dem Erleben massiver Hilflosigkeit bis hin zu Todesangst).
Entsprechend des weiteren Ablaufes (zusätzliche körperliche Verletzung, medizinische Erstversorgung, Umfang sozialer Ressourcen, weitere psychosoziale Folgen) aber auch der individuellen Persönlichkeit des Betroffenen sind verschiedene Verläufe möglich.

Die verschiedenen psychischen Reaktionen/Beschwerden können dabei entweder kurz nach dem traumatischen Ereignis oder mit einer zeitlichen Verzögerung auftreten.

Die Behandlung der verschiedenen Beschwerdebilder erfolgt in unserer Klinik und Ambulanz in einer individuellen Kombination aus verschiedenen Therapien, die den Betroffenen helfen sollen, ihre eigenen Ressourcen wieder zu aktivieren und den Verarbeitungs- und Anpassungsprozess optimal unterstützen.

Folgende Beschwerdebilder behandeln wir in unserer Klinik und Ambulanz:

Akute Belastungsreaktion bzw. –störung

Hierbei treten die Symptome meist unmittelbar nach dem Erlebten auf und klingen nach Tagen oder Stunden wieder ab. Umgangssprachlich wird dieser Zustand oft als „Nervenzusammenbruch“ oder „seelischer Schock“ bezeichnet.

Hierzu ein Beispiel: Herr K., 35 Jahre, Filialleiter Einkaufsmarkt

„Ich bin wie jeden Tag von der Arbeit nach Hause gefahren. Plötzlich war da ein Kleintransporter auf meiner Straßenseite und er fuhr direkt auf mich zu; ich sah die Scheinwerfer. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich bin auf die Bremse gestiegen, aber der Transporter kam immer näher (Kontrollverlust/Hilflosigkeit), ich sah das Gesicht des Fahrers, besonders die weit aufgerissenen Augen. Ich dachte nur noch: „Das war’s! Jetzt sterbe ich.“ Dann hörte ich einen lauten Knall, und es wurde schwarz um mich herum.
Als ich wieder zu mir kam – ich war nur wenige Sekunden weg – schaute ich mich um. Alles war kaputt. Zum Glück liessen sich der Sicherheitsgurt lösen und die Autotür öffnen. Der Transporterfahrer kam auf mich zu gelaufen. Andere Autofahrer hatten auch angehalten und ich hörte bereits das Martinshorn des herannahenden Krankenwagens. Ich merkte, wie ein sehr starkes Zittern mich ergriff, mir wurde speiübel. Ein Ersthelfer brachte mir eine Decke und als er sie mir um die Schultern legte (soziale Unterstützung), schien alles von mir abzufallen und ich weinte und weinte und weinte (die Starre/der Schock löst sich).“

Hier kann diagnostisch von einer akuten Belastungsreaktion bzw. -störung ausgegangen werden, welche in der Regel in einem Zeitraum von vier bis sechs Wochen abklingt. Psychotherapeutische Unterstützung ist hier insbesondere bzgl. der Informationsvermittlung sowie Ressourcenaktivierung angezeigt. Dies ist in der Regel in ambulanter Form möglich.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Wenn die Angst und das Entsetzen, das durch eine traumatische Situation hervorgerufen wurde, mit der Zeit nicht schwächer werden, sondern diese Gefühle und Erinnerungen immer wieder verstärkt hervortreten, spricht man von einer PTBS.

Hierzu ein Beispiel: Herr K., 35 Jahre, Filialleiter Einkaufsmarkt

„Ich bin wie jeden Tag von der Arbeit nach Hause gefahren. Plötzlich war da ein Kleintransporter auf meiner Straßenseite und er fuhr direkt auf mich zu; ich sah die Scheinwerfer. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich bin auf die Bremse gestiegen, aber der Transporter kam immer näher (Kontrollverlust/Hilflosigkeit), ich sah das Gesicht des Fahrers, besonders die weit aufgerissenen Augen. Ich dachte nur noch: „Das war’s! Jetzt sterbe ich.“ Dann hörte ich einen lauten Knall, und es wurde schwarz um mich herum.
„Als ich wieder zu mir kam – ich war nur wenige Sekunden weg – schaute ich mich um. Alles war kaputt. Wo bin ich? Was ist passiert? (Desorientierung). Ich versuchte mich zu befreien, aber es ging nicht, der Gurt klemmte, ich wurde immer panischer. Mir stieg ein seltsamer Geruch in die Nase, irgendetwas schien zu qualmen: Brennt das Auto? Warum kommt denn keiner? Ich hatte das Gefühl, schon stundenlang in diesem Auto zu sein. Plötzlich bemerkte ich, dass meine Beine weh taten und mein Auge sich ganz komisch anfühlte, ich fühlte in mein Gesicht und bemerkte Blut. Dann endlich sah ich das Gesicht eines Feuerwehrmannes am Seitenfenster. Er erklärte mit beruhigender Stimme, dass sie mich gleich rausschneiden werden. Einerseits war ich froh, andererseits war dieser Krach fast unerträglich: ich versuchte, an etwas ganz anderes zu denken (peritraumatische Dissoziation). Das tat gut, ich spürte auch die Schmerzen nicht mehr. Ich war dann erst wieder ganz da, als die Notärztin im Krankenwagen mich laut ansprach.
Im Folgenden konzentrierte ich mich voll auf die Genesung meiner Beinverletzung (Fraktur des Unterschenkels). Ich versuchte nicht über den Unfallhergang nachzudenken, obwohl ich immer wieder das Bild der aufgerissenen Augen des anderen Fahrers vor Augen hatte und diesen seltsamen Geruch in der Nase, das kam tags wie nachts vor. Manchmal fuhr ich schweißgebadet aus dem Schlaf hoch, konnte mich kaum beruhigen, an Schlaf war nicht mehr zu denken (Übererregung/ Schlafstörungen). Wenn mich jemand ansprach, blockte ich ab. Meine Frau sagte immer wieder, ich solle sie nicht so angehen (Übererregung/Reizbarkeit). Als mein Bein nach etwa acht Wochen soweit verheilt war, dass ich erstmals wieder selbst hinter dem Steuer meines Autos saß, bekam ich auf einmal keine Luft mehr und war wie starr. Meine Frau brachte mich darauf hin zum Hausarzt.“

Im zeitlichen Verlauf hat sich eine Posttraumatische Belastungsstörung mit der typischen Beschwerdetrias entwickelt:

  1. Wiedererleben der Unfallaspekte auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken)
  2. Übererregungssymptomatik: insbesondere Schlafstörungen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit
  3. Vermeidungsverhalten: gedanklich-emotional und konkret

In diesem Fall werden nach diagnostischer Abklärung (insbesondere auch der vorliegenden Ressourcen, aber auch möglicher zusätzlicher Belastungsfaktoren wie körperlicher Unfallfolgen, familiäre Belastungen, Konflikte mit dem Arbeitgeber) die weiteren Behandlungsmöglichkeiten gemeinsam besprochen. Bei beginnenden Chronifizierungsprozessen, aber auch bei einem zeitlich verzögertem Beginn der Beschwerden ist dabei oftmals eine intensive stationäre bzw. tagesklinische Behandlung empfehlenswert. Dabei ergeben sich verschiedene Behandlungsphasen:

  1. Spezifische Stabilisierung, Informationsvermittlung, Ressourcenaktivierung
  2. Auseinandersetzung in der Vorstellung mit der Unfallerinnerung (IRRT, EMDR, Beobachter-Bildschirmtechnik, Screentechnik, NET, TRIMB, Prolongierte Exposition)
  3. Konfrontation mit realen, bisher vermiedenen unfallbezogenen Orten und Situationen, z.B. Besuch der Unfallstelle, PKW-Fahrtraining etc. (Verhaltenstherapie, Exposition in vivo)
  4. Einbeziehung der Bezugspersonen sowie frühzeitige Planung der Zeit nach der stationären Behandlung (ambulante Psychotherapie, Arbeitsbelastungserprobung, gestufte Wiedereingliederung etc.) über den gesamten Behandlungsverlauf

Anpassungsstörung mit spezifischer Ausgestaltung (Angst und depressive Reaktionen)

Um eine Anpassungsstörung handelt es sich, wenn eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg Belastungen oder Missständen ausgesetzt ist, und sich mit diesen nicht oder nur sehr schwer arrangieren kann (z.B. körperliche Verletzungsfolgen nach Unfall, Tod einer nahestehenden Person, biografisches Scheitern, dauerhafte Demütigungen im beruflichen oder privaten Bereich). Dieser Zustand führt häufig zu Angststörungen und depressiven Reaktionen.

Hierzu ein Beispiel: Herr K., 35 Jahre, Filialleiter Einkaufsmarkt

„Ich bin wie jeden Tag von der Arbeit nach Hause gefahren. Plötzlich war da ein Kleintransporter auf meiner Straßenseite und er fuhr direkt auf mich zu; ich sah die Scheinwerfer. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich bin auf die Bremse gestiegen, aber der Transporter kam immer näher (Kontrollverlust/Hilflosigkeit), ich sah das Gesicht des Fahrers, besonders die weit aufgerissenen Augen. Ich dachte nur noch: „Das war’s! Jetzt sterbe ich.“ Dann hörte ich einen lauten Knall, und es wurde schwarz um mich herum.
„Ich war dann erst wieder ganz da, als die Notärztin im Krankenwagen mich laut ansprach. Mein Bein tat schrecklich weh. Ich erinnere mich noch, dass ich auf dem Weg ins Krankenhaus jede Unebenheit der Straße schmerzvoll gemerkt habe. Das Röntgen ergab dann eine komplizierte Fraktur, ich wurde noch am selben Tag operiert. Trotz stationärer Reha und langwieriger ambulanter Physiotherapie bin ich auch jetzt (fast neun Monate nach dem Unfall) noch nicht wieder richtig „auf den Beinen“. Ich habe fast immer Schmerzen, das Bein schwillt an. Den lang geplanten Wanderurlaub mit Freunden musste ich leider absagen. Und mein großes Hobby Mountainbike-Fahren kann ich nach Aussagen der Ärzte „an den Nagel hängen“. Auch eine gestufte Wiedereingliederung in meiner letzten Tätigkeit als Filialleiter in einem Einkaufsmarkt musste nach zwei Wochen abgebrochen werden. Ich grübel und grübel und grübel: Wie soll es bloß weiter gehen? Manchmal wird die Angst so stark, dass ich kaum Luft bekomme. Und dann diese fürchterlichen Schmerzen!“

Der Betroffene ist (neben den posttraumatischen Belastungsbeschwerden) noch vor eine weitere Aufgabe – wir sagen dazu intrapsychische Anpassungsanforderung – gestellt: sich einzustellen auf ein Leben mit vielleicht dauerhaften Bewegungseinschränkungen und der Konfrontation damit, was das für seine individuelle Lebensplanung und -gestaltung beruflich wie privat bedeutet.

Diagnostisch ist dies als Anpassungsstörung einzuordnen. Dabei gibt es insbesondere bei den Behandlungsansätzen Überschneidungen mit dem Schmerzkonzept.

Im therapeutischen Fokus (Einzel- und Gruppentherapie) steht hier die Auseinandersetzung mit dem Verlust der körperlichen Fähigkeiten und damit verbundenen den Gefühlen von Trauer und Wut, bei gleichzeitiger Zukunftsorientierung sowie Erweiterung der Schmerzbewältigungskompetenzen. Dabei ist für uns insbesondere die frühzeitige und konkrete Planung einer beruflichen Perspektive (unterstützt durch unsere Sozialpädagoginnen und – im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen – den zuständigen Reha-Beratern) von Bedeutung.

Unserer Erfahrung nach können derartige Anpassungsprozesse im Rahmen eines stationären Aufenthaltes angestoßen werden, bedürfen in der Regel aber einer längerfristigen ambulanten Nachbegleitung.

Spezifische Phobie

Hierbei handelt es sich um einen starken Angstzustand, der immer in bestimmten Situationen oder in Bezug auf ein bestimmtes Objekt auftritt und nur sehr schwer ertragen werden kann. Deshalb neigen Betroffene dazu, die Konfrontation mit eben diesen Situationen oder Objekten möglichst zu vermeiden – was zu einem Rückzug aus dem normalen Alltagsleben führt.

Im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung werden nach Vermittlung von spezifischem Wissen sowie der Erarbeitung eines individuellen Ablaufs (Angsthierarche) die angstbesetzten Situationen gezielt aufgesucht, um einerseits Gewöhnungs- (Habituation-) und Neulernprozesse zu ermöglichen.

Besonderheiten im therapeutischen Prozess: Unfälle mit Personenschaden

Hierzu ein Beispiel:

„Als ich nach dem Zusammenstoß der Autos wieder zu mir kam – ich war nur wenige Sekunden weg – schaute ich mich um. Alles war kaputt. Zum Glück ließen sich der Sicherheitsgurt lösen und die Autotür öffnen. Draußen blickte ich mich um und sah hinter meinem Auto ein weiteres kaputtes Fahrzeug. Mir war sofort klar, dass der Fahrer schwer verletzt sein musste. Der eintreffende Notarzt bestätigte meine Befürchtung: für die junge Frau kam jede Hilfe zu spät. Seither grüble ich, ob ich etwas hätte anders machen können. Wenn es meine Frau gewesen wäre? Hatte sie Familie? Wenn ich darüber nachdenke, wird mir richtig schlecht und mir kommen die Tränen. Die schluck ich dann runter – denn wie hat mein Vater immer gesagt: Ein Junge weint nicht! – und schau nach vorn!

Häufig bestehen im Zusammenhang mit Unfällen auch Schuldgefühle oder gehemmte Wut, z.B. im Zusammenhang mit Personenschäden.

In der psychotherapeutischen Arbeit geht es dann fokussiert um die Bearbeitung dieser Gefühle, unterstützt durch nonverbale Verfahren wie Körpertherapie, Kunstpsychotherapie, Dramapsychotherapie und Ergotherapie (insbesondere auch im Einzelsetting), die diesen Gefühlen einen Ausdruck bzw. eine Gestalt verleihen. Die gruppentherapeutischen Angebote bieten die Möglichkeit von zwischenmenschlichen Erfahrungen des Verständnisses sowie der Entlastung. Auch das Thema Realschuld wird achtsam, aber konsequent in den therapeutischen Prozess einbezogen.

Besonderheiten im therapeutischen Prozess: Spezielle Therapieangebote nach Gewalterfahrungen

Nach einem erlebten Überfall, insbesondere auch mit Waffengebrauch, ist häufig das eigene Sicherheitsgefühl massiv erschüttert. Dies hat oft auch Auswirkungen auf das Eingehen und die Gestaltung bestehender oder neuer zwischenmenschlicher Beziehungen: die Betroffenen begegnen anderen Menschen dann oft mit Unsicherheit und Misstrauen. Dies muss dabei auch in der Gestaltung der therapeutischen Beziehung berücksichtigt werden.

Dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand sowie unserer langjährigen Erfahrung nach stellen vorausgehende Gewalterfahrungen (z.B. in Kindheit und Jugend) einen Risikofaktor für eine Beschwerdeausweitung dar und bedürfen der Anpassung der Behandlungsplanung und -durchführung. Dies berücksichtigen wir in unserer Therapieplanung.

Überfälle sind Straftaten und ziehen damit häufig eine Reihe von Notwendigkeiten nach sich (z.B. polizeiliche Vernehmungen kurz nach dem Ereignis, Gerichtsverhandlungen mit notwendigen Zeugenaussagen oder Nebenklage und damit erneutem Kontakt mit dem/den Täter(n), Entschädigungsansprüche nach dem OEG mit langwierigen Gerichtsverfahren). In diesem Zusammenhang informieren wir die Betroffenen und ihre Angehörigen über geeignete Beratungsstellen bzw. Organisationen, die sie bei diesen Angelegenheiten unterstützen (z.B. regionale Opferberatungsstellen, den Weißen Ring u.a.).