Den Schmerz verstehen lernen

Das Gefühl von Schmerzen ist für uns überlebenswichtig, um uns zu zeigen, dass etwas mit dem Körper nicht in Ordnung ist. Wenn diese Schmerzen aber chronisch und zu einer eigenen Krankheit werden, besteht dringender Behandlungsbedarf.

Nach der Definition der Weltschmerzorganisation ist Schmerz ein Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung verknüpft ist. Diese Definition beinhaltet, dass Schmerz nicht unbedingt einen identifizierbaren organischen Auslöser haben muss.

In der Medizin unterscheidet man zwischen akutem und chronischem Schmerz. Akuter Schmerz hat eine Schutzfunktion und ist überlebensnotwendig, weil wir ihn immer dann empfinden, wenn eine Gewebeschädigung zugrunde liegt. Beim chronischen Schmerz dagegen spielen die Prozesse im Gehirn eine zunehmend große Rolle, daher besitzt dieser Schmerz einen eigenen Krankheitswert.

Wie entsteht Schmerz?

Ein akuter Schmerzreiz (z.B. Verletzung des Beines) löst elektrische Impulse aus, die über einen Nerv – ähnlich wie bei einem Stromkabel – zum Rückenmark geleitet werden. Dort wird der Impuls in den Thalamus im Gehirn geleitet, von wo aus Verbindungen zu anderen Hirnzentren hergestellt werden. Durch die Aktivierung der verschiedenen Zentren entsteht letztlich die bewusste Wahrnehmung des Schmerzes mit all seinen Sinnes- und Gefühlsanteilen. Biologisch ist es durchaus sinnvoll, dass Schmerz mit negativen Gefühlen verbunden ist, denn in seiner Alarmfunktion soll der akute Schmerz dazu führen, dass wir ihm Beachtung schenken und uns Gefahren (z.B. eine heiße Herdplatte) einprägen.

Schmerzen werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich empfunden. Dies hängt damit zusammen, dass nicht nur das Nervensignal für die Schmerzwahrnehmung entscheidend ist, sondern auch biologische Unterschiede sowie psychologische und soziale Faktoren. Deshalb spricht man in der Schmerzbehandlung vom sogenannten „Bio-Psycho-Sozialen-Modell“.

Bio-Psycho-Soziales Modell als Behandlungsgrundlage

Sowohl körperliche, psychische als auch soziale Faktoren müssen zusammenspielen, damit Gesundheit erhalten bleiben kann. Da Schmerz durch körperliche, psychische oder soziale Faktoren alleine oder in Kombination entstehen und aufrecht erhalten werden kann, gibt es sehr unterschiedliche Ursachen für das Erleben von Schmerzen. So kann eine körperliche Verletzung nach einem Unfall zu chronischen Schmerzen führen oder es liegt eine Erkrankung vor (z.B. Arthrose, Bandscheibenvorfall), die dauerhafte Schmerzen zur Folge hat.

Darüber hinaus kennen wir Schmerzerkrankungen, für die keine körperliche Ursache gefunden werden kann und bei denen z.B. psychische Belastungen im Vordergrund stehen. Allen gemeinsam bleibt ein dauerhaftes und für die Betroffenen belastendes Schmerzerleben, für dessen Behandlung biologische, psychologische und soziale Faktoren berücksichtigt werden müssen.

Dazu ein Fallbeispiel:

Herr K., 35 Jahre, Filialleiter in einem Einkaufsmarkt, berichtet nach einem schweren Verkehrsunfall: „Ich war dann erst wieder ganz da, als die Notärztin im Krankenwagen mich laut ansprach. Mein Bein tat schrecklich weh. Ich erinnere mich noch, dass ich auf dem Weg ins Krankenhaus jede Unebenheit der Straße schmerzvoll gemerkt habe. Das Röntgen ergab dann eine komplizierte Fraktur, ich wurde noch am selben Tag operiert. Trotz stationärer Reha und langwieriger ambulanter Physiotherapie bin ich auch jetzt (fast 9 Monate nach dem Unfall) noch nicht wieder richtig auf den Beinen. Ich habe fast immer Schmerzen, das Bein schwillt an. Den lang geplanten Wanderurlaub mit Freunden musste ich leider absagen. Und mein großes Hobby Mountainbiken kann ich nach Aussagen der Ärzte an den Nagel hängen. Auch eine gestufte Wiedereingliederung in meiner letzten Tätigkeit als Filialleiter in einem Einkaufsmarkt musste nach zwei Wochen abgebrochen werden. Ich grübel und grübel und grübel: Wie soll es bloß weiter gehen? Manchmal wird die Angst so stark, dass ich kaum Luft bekomme. Und dann diese fürchterlichen Schmerzen!“

In diesem Beispiel sehen wir, dass nach einer Verletzung (Bio) mittlerweile über mehrere Monate Schmerzen bestehen, die die aktuelle Lebensgestaltung (Sozial) mehr und mehr beeinflussen und sich damit auch auf unser psychisches (Wohl-) Empfinden (Psycho) auswirken.

Um diesem Teufelskreis konstruktiv entgegenzuwirken, hat sich ein interdisziplinärer Behandlungsansatz bewährt. Im Fokus steht dabei in erster Linie die Erweiterung der Schmerzbewältigungskompetenzen. Zur Behandlung von Schmerzen gehören folgende Therapiebausteine, die den individuellen Therapiebedürfnissen angepasst werden:

Behandlungsangebot im stationären Rahmen:

Psychotherapie:

  • Einzelpsychotherapie und Gruppengespräche (z.B. Schmerzbewältigungs-gruppe) nach kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz
  • Entspannungsverfahren
    • Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson,
    • Imaginationsverfahren
    • hypnotherapeutische Verfahren
  • Genusstraining
  • Biofeedback
  • EMDR
  • Klärung von Möglichkeiten der beruflichen (Re-)Integration in Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst und dem Kostenträger

Non-verbale Therapieverfahren (im Einzel- und/oder Gruppensetting): 

  • Kunstpsychotherapie
  • Körperpsychotherapie
    • z.B. Erlernen von Atemtechniken, QuiGong, TaiChi, Yoga, Bogenschießen
  • Ergotherapie
  • Dramapsychotherapie

Physiotherapie

Medizinische Therapie: 

  • Medikamentöse Behandlung
  • Patientenschulung

Sozialdienst

Nach der stationären Behandlung ist der Transfer des in der Therapie Gelernten in den sozialen und beruflichen Alltag entscheidend. Hier besteht die Möglichkeit der ambulanten psychotherapeutischen Weiterbehandlung, die den interdisziplinären Austausch – z.B. mit den behandelnden Ärzten/Schmerztherapeut*innen und der Physiotherapie – beinhaltet.